Frank Meyer

Wie wird man eigentlich… Oberbürgermeister?

Trotz eines randvoll gestopften Terminkalenders und großer Verantwortung hat Frank Meyer das Lachen nicht verlernt.

„Da ist Glitzer und Glamour!”, schreibt die Landeszentrale für politische Bildung über das Bürgermeisteramt. Dabei denken viele wohl zuerst an Aktenberge, Bürokratie und Gremien, wenn sie die Begriffe Rathaus und Stadtrat hören. Frank Meyer steht seit 2015 an der Spitze der Krefelder Verwaltung – an sieben Tagen der Woche, fast immer im Licht der Öffentlichkeit. Mit Humor, Durchhaltevermögen und einem engagierten Mitarbeiterstab trifft er täglich große und kleine Entscheidungen, die sich direkt auf das Leben der Menschen in Krefeld auswirken. Wir sprachen mit dem Oberbürgermeister über Heimatliebe, volle Terminkalender und gute Musik.

Aufgeräumt betritt Frank Meyer den Konferenzraum im Rathaus, auch am letzten Wochenende vor Weihnachten ist bei ihm keine Müdigkeit zu spüren. Er trägt schwarze Schuhe zum dunkelblauen Anzug – und knallbunte Socken mit Motiven der Beatles. Vor wenigen Minuten endete die Pressekonferenz zum Verkauf des Stadthauses, das ein Investor aus Krefeld denkmalgerecht sanieren und in eine internationale Kunsthochschule verwandeln will. „Ein großartiges Projekt und eine der besten Nachrichten, die das Jahr zu bieten hat“, freut sich Meyer mit spürbarer Begeisterung. Wir bekommen einen ersten Eindruck, wie durchgetaktet das Leben des OB sein muss. Schnell ein schwarzer Kaffee, ein wenig Smalltalk mit dem Fotografen, schon tauchen wir ein in eine Biografie, die 1974 im Stadtteil Uerdingen begann. Noch heute verbringe der Lokalpolitiker seine wenige Freizeit am liebsten am Rheinufer, erzählt er heiter: Man kann ihn guten Gewissens als „Krefelder Jung“ bezeichnen.

Keineswegs nur für die Füße: OB Frank Meyer ist begeisterter Musikfan.

Meyers Großmutter arbeitete als Sekretärin bei den Bayer-Werken, sein Großvater war ein Samtweber aus dem Nordbezirk, der Vater engagierte sich in der Gewerkschaft. Im Geschichtsunterricht des Gymnasiums am Stadtpark beschäftigt sich Oberstufenschüler Frank mit der Reichstags-Rede des SPD-Vorsitzenden Otto Wels gegen das nationalsozialistische Ermächtigungsgesetz. „Die SA war schon im Saal, und der Sozialdemokrat hat mutig die Fahne der Demokratie und Freiheit hochgehalten. Das hat mich schwer beeindruckt und mit dazu bewogen, 1992 in die SPD einzutreten.“ Dass diese Partei am besten zu ihm passe, liege auch am Thema Gerechtigkeit, erklärt Meyer mit festem Blick. Und er nennt zwei Vorgänger im Amt, die ihn maßgeblich geprägt hätten: Willi Wahl und Dieter Pützhofen. Wir hören die erste von zahlreichen Anekdoten an diesem Freitag, denn vor uns sitzt ein aufgeschlossener Mann, der Menschen und ihre Geschichten mag: „An Willi Wahl schätze ich den interessanten Lebenslauf, den fairen Umgang mit anderen und die kürzeste Eröffnungsrede aller Zeiten, an der ich mir allerdings kein Beispiel nehmen werde“, schmunzelt der 48-Jährige. „Mit nur zwei Worten – ‚Mir nach!‘ – eröffnete Wahl das Uerdinger Stadtbad und sprang ins Becken. Von seinem Vorgänger und Nachfolger Pützhofen kann man sich auch eine Menge abgucken, beispielsweise seine gewinnende Art und die Kunst des Zuhörens.“

In Krefeld ergeben sich Funktion, rechtliche Stellung und Aufgaben des OB aus der Gemeindeordnung des Landes – Größe und Geschichte einer Stadt beeinflussen übrigens, ob sie von einem Bürgermeister oder einem Oberbürgermeister geleitet wird (für eine bessere Lesbarkeit wird im Text nur die männliche Form verwendet, ohne Wertung). Für Frank Meyer bedeutet dies, gleich mehrere Hüte tragen zu müssen: als Vorsitzender des Stadtrats, Repräsentant der Stadt nach außen und innen sowie Leiter der Verwaltung mit rund 4.500 Mitarbeitern. Insofern sei sein Arbeitstag prall gefüllt mit Sitzungen und Terminen, wie er mit einem Lächeln verrät. Und dass er schlecht nein sagen könne. „Aber ich mag diesen Ebenenwechsel: Heute war ich im Forstwald, um zwei historische Porträts zu enthüllen, die der Bürgerverein auf eigene Kosten restaurieren ließ. Danach ging es direkt zum Pressegespräch, um den Stadthausverkauf zu verkünden und einen Millioneninvestor vorzustellen. Für beides kann ich mich begeistern!“ Seine Maxime sei, zugesagte Termine auch einzuhalten. „Aber wenn kurzfristig der argentinische Botschafter angekündigt wird, kann das schon den Zeitplan umwerfen.“

Angela Merkel habe er leider nur in Videokonferenzen und nicht persönlich getroffen, Bundeskanzler Olaf Scholz jedoch schon mehrfach, was auch am Parteibuch liegen könnte. Ein Augenzwinkern. Dass er als OB in der Öffentlichkeit stehe und oft erkannt werde, gehöre eben dazu. „Die Krefelder sind aber eher zurückhaltend. Kinder fragen mich häufig nach Selfies, was ich natürlich gern erfülle.“ Meyer lacht herzlich. Es folgen Storys über Termine an Grundschulen, die dem OB offensichtlich viel Freude bereiten. Er wirkt bodenständig und zugänglich, und dass er die schwere Amtskette nur selten trage, da er nicht der Typ sein wolle, „der mit der Kette herumläuft“, passt gut ins Bild. „Bei Kindern holen wir schon mal den Koffer mit der Amtskette aus dem Tresor.“ Dann sei auch ein wenig von dem Glitzer zu sehen. Als gewiefter Redner nutzt er beide Hände, um den Effekt zu veranschaulichen. Wieder ein Lächeln.

Seit 1999 wird der Oberbürgermeister in Krefeld direkt und für fünf Jahre gewählt. Vorher war der Posten ein reines Ehrenamt. Mindestens drei formale Voraussetzungen müssen Kandidaten erfüllen: Vollendung des 23. Lebensjahres, einen Wohnsitz in Deutschland sowie die deutsche oder eine europäische Staatsangehörigkeit am Wahltag. Obwohl es also keine Bedingung ist, aus dem Ort zu stammen, für den man sich aufstellen lässt, betont Meyer einen wesentlichen Aspekt: „Ein gutes Gefühl für die Stadt zu haben, ist unabdingbar. Man sollte ein Interesse an den Menschen mitbringen und ein Gespür für die Schwingungen haben. Das bekommt man nicht am Schreibtisch, sondern nur, wenn man das Rathaus verlässt und eigene Eindrücke sammelt.“ Auch bei der Frage, was das Beste am Job sei, muss der gebürtige Uerdinger nicht lange überlegen. „Ich treffe viele spannende Menschen und erlebe die Wirksamkeit des eigenen Handelns.“ Er führt das Beispiel der Gesamtschule am Botanischen Garten auf und den langen Prozess von der Bauentscheidung bis zur Durchführung. „Es war ein Privileg, einen aktiven Anteil an dem Projekt zu haben.“ Und das Nervigste? „Die Notwendigkeit, Kompromisse zu schließen, um Ziele zu erreichen. Manche Verwaltungsvorgänge können sehr langatmig sein, das ist schon herausfordernd.“ Was alles nicht funktioniere in der Stadt, höre er demzufolge sehr viel häufiger als Lob. „Aber ich bin stolz auf mein Team und das große Engagement für das Gemeinwohl.“ So fahre ein Standesbeamter auch mal nachts ins Krankenhaus, um eine Nottrauung durchzuführen. „Es gibt viele berührende Momente“, resümiert Meyer zufrieden.

Auf uns wirkt das Leben als Politiker und Verwaltungsfachmann vielleicht nicht gerade glamourös und glitzernd, aber doch abwechslungsreich und erfüllend. Zum Abschalten liest der OB oft Bücher, besucht Konzerte und sammelt Schallplatten. Sein Musikgeschmack ist dabei so breit aufgestellt wie sein Job: Sängerin Zaz, die Beatles oder Rockbands wie The National und Dropkick Murphys sind dabei. Dann kann er einfach mal nur privat sein – als Mensch Meyer.

Fotos: Felix Burandt
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